Wer sich angesprochen fühlt und einen Job sucht, schickt eine Bewerbung. Das ist bis dahin eine einfache Rechnung. Jedoch kommt es meist erst gar nicht so weit: Denn viele Menschen fühlen sich von Jobanzeigen nicht angesprochen. Das kann vielfältige Gründe haben. Zum Beispiel, dass du nur Fotos von weißen Männern verwendest, wenn du Entwickler*innen suchst. Oder anders gesagt: Tech-Frauen mit Stockfotos von älteren weißen Männern rekrutieren läuft nicht.
Als ich letztens in einem Supermarkt an der Kasse stand, fiel mein Blick auf ein großes Plakat in der Fensterscheibe. Gesucht: Filialleiter (m/w) und stellvertretende Filialleiter (m/w). Dazu ein Foto, der Mann im Vordergrund in dominanter Pose, die Frau im Hintergrund. Sie hatte die Arme vor dem Bauch verschränkt. Können nur Männer Filialleiter sein? Nein, absolut nicht. Unbewusst strahlt dieses Plakat aber genau das aus: Wir suchen hier den Mann, der anpackt.
Gerade in Branchen mit wenigen potentiellen Bewerber*innen ist es umso wichtiger, einen vielfältigen Personenkreis anzusprechen.
Okay. Was tun?
Denn viele Unternehmen wollen ja gerne einen vielfältigeren Talentpool ansprechen und eigentlich niemanden ausschließen oder benachteiligen. Solltest du vor allem Stellenangebote auf Deutsch veröffentlichen, dann mach doch einmal diese kleine Reflektionsübung.
Wie liest sich das für dich?
UX-Designer (m/w)
Lass das mal kurz auf dich wirken.
Was denkst du über diese Version?
UX-Designerin (m/w)
Nun lies diese Jobposition einmal ganz intensiv:
UX-Designer/ UX-Designerin
Dann gibt es ja auch noch diese Variante, die alle Geschlechter einbezieht:
UX-Designer*in oder UX-Designer_in
Und jetzt mal ehrlich – vor allem liebe Leser*in: Bei welcher Version hast du dich wirklich tief angesprochen gefühlt?
Rekrutierst du auf Deutsch, solltest du im Titel auch alle Geschlechter einbeziehen. Und damit meine ich, den Jobtitel komplett auszuschreiben. Und alle Geschlechter ansprechen, statt sie „mit zu meinen“, mit dem Buchstaben „w / d “ nach der männlichen Bezeichnung.
Also zum Beispiel so:
UX-Designer_in (w/m/d)
Nicht ohne das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG)
Natürlich geht es nicht ohne das AGG, das ja gerade positive Maßnahmen dahingehend unterstützt. Ziel des Gesetzes ist „Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen“. Weshalb seit einiger Zeit ja eben das m/w auch noch ein d für inter Personen geschrieben wird, neben der männlichen Form des Jobtitels. Was aber keine Lösung ist, ich als Diversity Consultant begrüße.
Das AGG schließt zum Beispiel gar nicht aus, zum Beispiel die Variante UX-Designer_in (w/m/d) zu wählen. Einige Unternehmen sind bereits zu dieser Form übergegangen und verwenden diese Anrede auch im Jobangebot konsequent. Ich habe für diesen Artikel viele Karriereseiten großer Firmen durchforstet und war nicht überrascht, aber doch schockiert, wie viele Fotos oder Abbildungen von Männern dort zu finden sind – gerade für IT und Tech-Berufe. Und wie viele Stellenangebote nach dem Muster „Jobposition m/w“ ich erst gesehen habe!
Deshalb:
- Wer nicht über Sprache oder Bilder angesprochen wird, existiert nicht. Mitgemeint zählt nicht – eine mögliche Top-Kandidatin bewirbt oder interessiert sich deshalb vielleicht auch nämlich erst gar nicht für dein Unternehmen. Frag also im besten Fall bei den Menschen nach, die du erreichen willst. Zeig ihnen deine Karriereseite oder dein Jobangebot und bitte um Feedback mit der Frage: Würdest du dich hier bewerben?
- Es sollen mehr Frauen* in Tech-/ IT- oder Finanzberufen arbeiten? Also sprich sie bei der Suche in der Jobbeschreibung doch auch direkt an – mit der Form: Software Developer_in (w/m/d). Benutzt du auch Fotos neben oder in euren Stellenangeboten? Dann mach es besser als die Supermarktkette mit dem dominanten Filialleiter im Vordergrund. Hier ein Tipp für Stockfotos.
- Gut ist es auch, nochmal am Ende der Stellenanzeige zu formulieren, dass du wirklich einen vielfältigen Talentpool ansprichst. Zum Beispiel so: „Uns ist Vielfalt in unserem Team und ein diskriminierungsfreies Arbeiten wichtig. Diversity in Bezug auf persönliche Hintergründe, Perspektiven und Erfahrungen unterstützen wir aktiv. Wir möchten daher Menschen unterschiedlicher Geschlechter, unterschiedlicher Herkunft, unterschiedlichen Alters, unterschiedlicher körperlicher oder psychischer Fähigkeiten und Religionen und Weltanschauungen zur Bewerbung auffordern.“
- Sei dir bewusst, dass Charaktereigenschaften in der Jobbeschreibung einen großen Einfluss darauf haben, ob sich ein Mann* oder eine Frau* bewirbt. Das hat eine Studie der TU München gezeigt: Waren in der Ausschreibung viele Eigenschaften genannt, die mit Männern in Verbindung gebracht werden, wie etwa „durchsetzungsstark“, „selbstständig“, „offensiv“ und „analytisch“, fühlten sich Frauen weniger angesprochen. Stärker angesprochen fühlten sie sich hingegen von Wörtern wie „engagiert“, „verantwortungsvoll“, „gewissenhaft“ und „kontaktfreudig“. Bei Männern zeigte sich kein Unterschied. Nutze hier Gender Decoder, bevor du deine Angebote veröffentlichst.
- Bleib als Recruiter im Bewerbungsprozess authentisch und realistisch. Denn du stellst ja Menschen ein, die im besten Falle auch bleiben sollen. Dabei solltest du dich idealerweise auch mit deinen eigenen Unconscious Bias beschäftigen. Diversity und eine Unternehmenskultur, in der jede*r willkommen ist, Ideen einzubringen, sind kontinuierliche Prozesse. Aber auch kleine Schritte bewirken etwas.
Was denkst du darüber, wie handhabst du das?
Hinweis: Ich gebe keine Rechtsberatung. Bei individuellen Fragen zum AGG kontaktiere bitte entsprechende Anwält*innen dazu. Ich verwende das Sternchen* bzw. das Gender Gap_, um alle Geschlechter zu inkludieren.
Bild: wocintechchat.com