Liest du auch viel darüber, dass wir mehr Diversity in Tech-Unternehmen, in Unternehmen generell, in Führungsetagen, Aufsichtsräten und Investorenkreisen brauchen? Und fragst dich, was das eigentlich ist? Da Diversity eben eines, nämlich sehr vielfältig, ist, habe ich die wichtigsten Punkte zusammengefasst.
Erstmal vorweg, was Diversity nicht ist.
- Diversity ist kein Business-Trend – denn hier geht es um Menschenrechte, das deutsche Grundgesetz und das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. Dazu später mehr.
- Diversity ist nicht ausschließlich was mit Frauen und Migranten – salopp formuliert. Und hat nicht unbedingt was mit einer Frauenquote zu tun. Die Diversity-Dimensionen umfassen mehr als das Geschlecht und die ethnische Herkunft.
- Diversity Management bedeutet nicht, dass Standards gesenkt oder Extrawürste gebraten werden. Das ist ein häufiges Vorurteil wenn es in Unternehmen ernst mit Diversity und Inklusion wird. Statt im Recruiting immer wieder zu fragen: Passt er oder sie zu uns? („Cultural Fit“ – was zu Monokulturen in Unternehmen führt) – einfach mal durch diese Frage ersetzen: Welche Sichtweisen können wir von ihm oder ihr lernen? Das wäre dann der Cultural Add.
Okay, nun zum Punkt: Was ist es denn nun genau?
Das Wort stammt aus dem Englischen und heißt übersetzt Vielfalt. Im übertragenen Kontext bedeutet das, dass alle Menschen unabhängig von ihrem sozialen oder ethnischen Hintergrund, ihrem Geschlecht, ihrer sexuellen Orientierung, ihrer Religion oder Weltanschauung, ihrem Lebensalter, ihren psychischen oder körperlichen Fähigkeiten ihr Potenzial leben können. Ein bekanntes Modell, um Diversity zu beschreiben, stammt von den amerikanischen Unternehmensberater*innen Gardenswartz & Rowe.
In der Mitte steht immer die Persönlichkeit, die ganz individuell in den genannten Bereichen verankert ist. Bei diesem Modell geht es darum, Unterschiedlichkeiten sowie Gemeinsamkeiten von Menschen aufzuzeigen. Hier siehst du nur die innere Dimension. Bei Gardenswartz & Rowe gibt es insgesamt vier dieser Dimensionen.
Aufgrund verschiedener Persönlichkeitsmerkmale werden Menschen diskriminiert und ausgegrenzt. Zum Beispiel, wenn Frauen* Sexismus erleben. Vielleicht kommt dann aber noch die Tatsache hinzu, dass eine Frau*, die Sexismuserfahrungen gemacht hat, eine Woman of Color ist. Weswegen sie zusätzlich zu der Diskriminierungserfahrung aufgrund des Geschlechts zusätzlich Rassismus erlebt. Das heißt dann Intersektionalität, wenn unterschiedliche Diskriminierungsarten zusammenwirken.
Einfach sein, wer ich bin
Diversity ist vor allem ein positiver Gesellschaftsentwurf gegen Diskriminierung und Ausgrenzung verschiedener Menschen und Gruppen: Indem jede Lebensform anerkannt, jede einzelne Person ihr volles Potenzial leben und Barrieren in der Gesellschaft überwunden werden können. Diversity bedeutet schlicht die Anwendung der Menschenrechte für jede_n Einzelne_n. Historisch gesehen stammt das Konzept aus den USA und der Bürgerrechtsbewegung rund um Rosa Parks und Martin Luther King. Als Reaktion führte der damalige Präsident John F. Kennedy in den sechziger Jahren die sogenannte Affirmative Action ein. Dieses Maßnahmenpaket umfasst unter anderem spezielle Bildungsprogramme gegen Rassismus und Sexismus sowie Diversity Trainings.
Diversity lohnt sich
Vielfalt hat neben der gesellschaftspolitischen Komponente auch einen wirtschaftlichen Hintergrund. Ganz abgesehen von den positiven Auswirkungen auf die Unternehmenskultur und die Arbeitgebermarke, haben viele Studien gezeigt, dass sich Diversity Management positiv auf den finanziellen Unternehmenserfolg auswirkt. Das kannst du hier nochmal genauer nachlesen: Warum Diversity was für Finanzchef_innen ist. Deutschland hinkt momentan stark dem internationalen Trend hinterher: So haben laut einer Studie der Charta der Vielfalt zwei Drittel der Unternehmen noch gar keine Diversity-Maßnahmen ergriffen.
Wie sieht es in Deutschland rechtlich aus?
Diversity bedeutet auch, sich an bestehende Gesetze in Deutschland zu halten: das Grundgesetz und das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. Bereits im Grundgesetz ist in Artikel 3 verankert, dass Benachteiligung, beispielsweise aufgrund einer Behinderung, vermieden werden muss:
(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse^, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.
Im Jahr 2006 ist das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) in Kraft getreten, welches sich insbesondere auf den beruflichen Bereich bezieht. Ziel des AGG ist es
„Benachteiligungen aus Gründen der Rasse^ oder ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.
^ Anmerkung zum Begriff „Rasse“: Der Begriff ist hochproblematisch und ich empfehle, ihn nicht zu verwenden. Er impliziert, dass es Menschenrasse gäbe – und diese Vorstellung als solche kommt aus rassistischen Theorien. Frankreich hat den Begriff daher zum Beispiel 2018 ganz aus der Verfassung gestrichen.
Trotz dieser Gesetzesgrundlagen werden Menschen täglich diskriminiert und ungleich behandelt. Und erfahren verschiedenste Barrieren – was vielfach verhindert, dass sich Menschen aktiv an der Gesellschaft beteiligen können. Das wiederum hat einen negativen Einfluss auf die Gesellschaft als Ganzes. Muss aber so nicht sein. Jede_r kann im eigenen Einflussbereich daran arbeiten. Diversity-Arbeit bedeutet vor allem auch, diskriminierungskritisch zu sein. Und damit kannst du heute noch beginnen!