Wie wird mein Team vielfältiger? Es liegt nahe, die Lösung für mehr Diversity im Recruiting zu suchen. Die wichtigste Arbeit sollte jedoch schon vor dem eigentlichen Hiring beginnen. Denn der Boden für den Erfolg vielfältiger Teams ist die inklusive Unternehmenskultur.
1. Definiere was Diversity, Chancengerechtigkeit und Inclusion für dein Unternehmen bedeutet, bevor du Diversity im Recruiting priorisierst
Das sind große strategische Fragen, die nicht allein die freiwillige Diversity-Community selbstorganisiert beantworten sollte. D&I ist eine strategische Business-Entscheidung und die sollte gemeinsam mit dem Leadership-Team getroffen werden. Die Führungsebene sollte inklusives Verhalten selbst vorleben und auch maßgeblich die Unternehmenskultur dahingehend prägen. Hierbei geht es nicht nur um das reine Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz-konforme Vermeiden von offener Diskriminierung. Es geht darum, eine Vision für D&I zu entwickeln. Wofür möchtest du als Arbeitgeber*in und als Unternehmen stehen? Welche Werte prägen die Organisation – von zwischenmenschlichen Themen bis zum Produkt oder der Dienstleistung? Was sollen die Menschen bei Kununu oder Glassdoor über das Unternehmen sagen? Gerne unterstützen wir dich beim Klären dieser Fragen mit unseren bewährten Workshops. Denn die Diversity & Inclusion-Strategie ist der Schritt vor der Recruiting-Strategie.
2. Lerne selbst mehr über Inclusive Hiring und Diversity im Recruiting
Diversity & Inclusion sind für Menschen im Bereich Talent Acquisition oft ganz neue Themen. Einen Inclusive Hiring Prozess einzuführen bedeutet, die Diversität von Kandidat*innen aktiv einzubeziehen, mit all ihren Qualitäten und Perspektiven. Dabei geht es nicht darum, einfach mehr Menschen mit marginalisierten Identitäten einzustellen. Es geht weiterhin darum, Kandidat*innen mit den besten Skills und Kompetenzen für den Job einzustellen. Der einzige Unterschied im Inclusive Hiring: Es sind Praktiken, die aktiv anerkennen, dass es Chancenungerechtigkeiten und implizite Biases für Menschen innerhalb und außerhalb der Normvorstellungen gibt. Dazu musst du dich ebenfalls mit deinen Privilegien und Annahmen über Menschen auseinander setzen, z.B. in einer unserer Lernreisen.
Inclusive Hiring denkt an alle Talente
Ein Beispiel: Ein Unternehmen sucht Entwickler*innen. Ein impliziter Bias ist hier, dass die allermeisten Menschen sich spontan und im Unterbewussten einen Entwickler als cis-männlich und weiß vorstellen, eine Person um die 25-40 Jahre alt und christlich sozialisiert und keine Behinderung hat. Die wenigsten Menschen stellen sich z.B. eine Schwarze queere nicht-binäre Person über 40 mit Behinderung vor. Das ist problematisch, weil Menschen lieber ihre stereotypen Bilder bestätigen, als sie zu widerlegen. Oder auch weil sie lieber Menschen bevorzugen, die wie sie selbst sind. Im Einstellungsprozess könnte das dazu führen, dass die Schwarze queere nicht-binäre Person bei gleicher Qualifikation gar nicht als Kandidat*in in Betracht kommen würde, weil Biases das unbewusst verhindern. Inclusive Hiring bedeutet, das gesamte Spektrum der Talente wertzuschätzen und die eigenen Biases zu erkennen. In meinem Workbook gibts hier mehr Infos.
3. Gestalte deine Karriereseite so, dass sie für alle Talente ansprechend und nutzbar ist
Es sind oft die kleinen, unbewusst wirkenden ersten Eindrücke, die entweder dazu führen, dass Kandidat*innen das Unternehmen attraktiv empfinden oder eben nicht. Die wichtigste Frage: Ist die Seite überhaupt barrierearm für alle Menschen zugänglich? Führe am besten einen Audit deiner Karriereseite durch und überlege dir: Repräsentieren die Fotos auf unserer Seite den gesamten Talentpool, den wir erreichen wollen? Haben wir transparent in einem Statement kommuniziert, dass wir Diversität wirklich wertschätzen? Erzählen wir von Beispielen unserer D&I-Arbeit? Wichtig ist, authentisch über den Fortschritt zu bleiben. Wenn Kandidat*innen kein vielfältiges Team vorfinden werden, dann sollte die Karriereseite das auch ehrlich vermitteln – zusammen mit den ehrlichen D&I-Zielen des Unternehmens. Auch ein Blick von außen hilft: Erfahre hier mehr über meine Assessments.
4. Formuliere deine Inclusive Hiring Strategie mit konkreten Zielen
Gerade wenn dein Unternehmen stark wächst, sind D&I und ein schnelles Hiring oftmals Gegensätze. Es braucht schlichtweg mehr Zeit, um marginalisierte Talente zu finden, anzusprechen und einzustellen. Deshalb ist es wichtig, dass du eine Strategie entwirfst, hierfür das Buy-In der Führungskräfte einholst und dir Ziele setzt. Vielleicht können einzelne Kolleg*innen ein strategisches Diversity Active Sourcing entwickeln. Setzt euch dann auch feste Team-Ziele gemeinsam mit den Hiring Manager*innen. Oder du partnerst mit verschiedenen Organisationen, wie z.B. den Sozialhelden e.V., ADAN e.V. oder dem Swans Netzwerk, um Kontakte mit marginalisierten Talenten zu knüpfen. Die Wege sind vielfältig und sollten individuell zu deiner Organisation passen. Wichtig ist es, dran zu bleiben.
5. Inclusive Hiring: Strukturiere deinen Interview-Prozess statt auf Bauchgefühl zu setzen
Es gibt mehrere Studien zu den Auswirkungen von unterschiedlichen Namen auf identischen Lebensläufen, beispielsweise bei einem traditionell weiß klingenden und einem traditionell schwarz klingenden Namen, untersucht von Bertrand & Mullainthan von der University of Chicago in den USA. Der Name, der unbewusst einer Schwarzen Person zugeordnet wird, erhält weniger Einladungen zu Kennenlern-Gesprächen: Lakisha und Jamal (schwarz gelesene Namen) erhielten 50 Prozent weniger Rückrufe und mussten acht Jahre mehr Berufserfahrung nachweisen als Emily und Greg (weiß gelesene Namen).
In Deutschland stellte Doris Weichselbaumer vom Institut der Zukunft der Arbeit in Bonn in einer Studie fest, dass eine Person namens Meryem Öztürk viel weniger Rückrufe erhielt als Sandra Bauer – mit identischem Lebenslauf und allen identischen Qualifikationen. Wenn Meryem Öztürk einen Hijab auf dem Bild trägt, muss sie sogar viermal länger warten als Sandra Bauer, um einen Rückruf zu erhalten.
Strukturierte Hiring-Prozesse tragen zu einer gerechteren Auswahl bei, indem sie die Auswirkungen unbewusster Vorurteile begrenzen. Das bedeutet, dass du dir Gedanken machst, welche Skills und Kompetenzen für den Job wichtig sind und bewertest sie mithilfe einer Scorecard. Jede Entscheidung, vom Screening der Unterlagen, über spezielle Job-Tests bis hin zu den Interviews selbst, basiert dann auf konkret messbaren Attributen und verhindert das reingrätschen von einem vorurteilsbehafteten Bauchgefühl.
6. Entwickle deine D&I Employer Brand
Employer Branding ist deine Chance, die Kultur, die du intern lebst, auch nach außen zu tragen. Ist deine D&I-Strategie nach innen glaubwürdig und authentisch, wirst du interessante potentielle Kandidat*innen auch nach außen über dein Employer Branding erreichen und überzeugen können. Vielleicht passt es zu eurer Unternehmenskultur, über eure D&I-Strategie und den Prozess auf eurem Corporate Blog zu schreiben und diese Artikel über Linkedin oder Twitter zu teilen. Vielleicht habt ihr einzelne, sehr engagierte D&I Botschafter*innen, die über ihre Social Media Kanäle über die Unternehmenskultur sprechen. Oder du veranstaltest eine kostenfreie Panel-Diskussion zu einem gesellschaftlich wichtigen Thema, z.B. Anti-Rassismus in Unternehmen und lädst auch ein externes Publikum ein. Finde heraus, was zu deiner Organisation passt.
7. Wachse an den Herausforderungen
Das spannende an D&I-Arbeit ist, dass vieles über das Ausprobieren, Scheitern, Verbessern und wieder neu versuchen funktioniert. Es gibt natürlich auch Praktiken, die erwiesenermaßen zu mehr Diversität führen, z.B. den strukturierten Interview-Prozess. Das meiste jedoch entsteht im Hier und Jetzt. Am wichtigsten ist daher das Mindset: D&I-Arbeit ist der Versuch, in lange bestehenden, ungerechten Strukturen Chancengerechtigkeit zu bewirken. Das kostet Kraft und dauert Zeit. Wir sollten deshalb auch regelmäßig die großen und kleinen Erfolge feiern, um Energie für die nächsten Etappen zu gewinnen.