Inclusion und Unconscious Bias gehen nicht gut zusammen. Sie sind wie Magnetpole, die sich gegenseitig abstoßen. Warum? Einfache Sozialpsychologie: Wenn Biases nicht aktiv hinterfragt werden, bilden sich Teams vor allem nach Ähnlichkeiten. Eine wirkungsvolle Diversity & Inclusion Strategie hilft dabei, bias-bewusster zu handeln.
Doch warum handeln Personen eigentlich oft unbewusst ausgrenzend?
Das ist sozialpsychologisch recht einfach erklärt. Menschen finden sich bevorzugt nach Ähnlichkeiten zusammen: zum Beispiel durch ein gleiches Alter, einen gleichen sozialer Hintergrund oder ein gleiches Hobby. Das sind die sogenannten Eigengruppen (In-Groups). Für diese Eigengruppen empfinden wir sogar mehr Empathie. Mit der Gruppe teilen wir gemeinsame Werte und Normen und es ist relativ klar, ist wie wir uns verhalten sollen. In-Groups sind sehr flexible Gebilde: Eine In-Group kann ein Sportverein sein, aber auch eine gesellschaftliche Gruppenzugehörigkeit, wie zum Beispiel weiß-deutsch, eine cis Frau oder nicht-behindert zu sein.
Fremdgruppen (Out-Groups) sind folglich die Gruppen, zu denen Personen sich entweder nicht zugehörig fühlen und/ oder von Anderen als nicht zugehörig gelesen werden. Wenn es um den Sportverein geht, ist das nicht weiter dramatisch. Wenn jedoch die Gruppenzugehörigkeit mit gesellschaftlicher Macht verbunden ist, hat das sehr wohl Folgen. So werden zum Beispiel eine Schwarze Person, eine trans Frau oder eine muslimische Person als „die Anderen“ eingeordnet, obwohl sich z.B. die Schwarze Person auch als deutsch und eine trans Frau schlicht als Frau versteht. Out-Groups verfügen jedoch nicht über die institutionelle Macht: Sie besitzen nicht die Mehrheit der Posten und Ämter in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft.
Inclusion bedeutet, die Norm zu hinterfragen
Die Zugehörigkeit zu einer In- oder Out-Group orientiert sich dabei an Normen. Je näher ich als Person in Deutschland mit der Norm übereinstimme – “weiß, cis männlich, nicht-behindert, hetero, aus einem westdeutschen Akademiker*innen-Haushalt und christlich sozialisiert” desto mehr gesellschaftliche Vorteile hat es. Umgekehrt ist das mit gesellschaftlicher Ausgrenzung verbunden. Also: Um Inclusion zu erreichen, müssen Unconscious Bias in Entscheidungsprozessen ständig hinterfragt werden. Denn sonst hat es weitreichende Folgen auf die Chancengleichheit: So finden Personen oftmals schlechter einen Job oder eine Wohnung. Sie sind um ein vielfaches mehr bewusster und unbewusster individueller und struktureller Diskriminierung ausgesetzt. Inclusion bedeutet, Normen zu hinterfragen und aktiv etwas anders zu machen.
Ein “Cultural Fit” kann auf diesem Unconscious Bias basieren, der für Ausgrenzung sorgt
Die Privilegierungen von In-Groups wirken natürlich in Unternehmen weiter. Wer also Mitarbeiter*in eines Unternehmens ist oder wird, teilt bestimmte Werte und Normen und „passt einfach rein“. Das ist zum einen gut, weil gemeinsame Werte verbindend wirken und so für Motivation sorgen, an der gemeinsamen Vision des Unternehmens zu arbeiten. Zum anderen ist es problematisch. Denn meist sind mit „passt bei uns rein“ zusätzlich unbewusste Vorurteile verbunden – die wiederum mit der gesellschaftlichen Norm und der Zuschreibung von Kompetenz verknüpft ist. So wird zum Beispiel eine Person, die Sandra Bauer heißt, wesentlich öfter zum Vorstellungsgespräch geladen als Meryem Öztürk – bei identischen Bewerbungsunterlagen und identischem Foto. Das zeigt eine Studie des Instituts zur Zukunft der Arbeit in Bonn.
Es gibt zwei Wege für deine Diversity & Inclusion-Strategie, die in Kombination am besten funktionieren:
- Die eigenen stereotypen Denkmuster und Unconscious Bias erkennen, hinterfragen und bewusst verändern. Das funktioniert durch individuelle Weiterbildung in Form von Trainings, E-Learnings oder Nudges gut (Nudges sind kleine Routinen, die zur Verhaltensänderung anregen)
- Die Prozesse in Unternehmen vorurteilsfreier gestalten: das beginnt beim Zusammenstellen von Projektteams, führt über das Hinterfragen von HR-Prozessen in puncto Neueinstellungen und Beförderungen bis hin zum bewussteren Einkauf von Waren und Dienstleistungen, die sogenannte Supplier Diversity.
Inclusion & Unconscious Bias am Beispiel Mini-Me Bias:
Erforsche doch einmal den Mini-Me Bias in deinem eigenen Verhalten. Der Mini-Me Bias besagt, dass wir Menschen, in denen wir etwas von uns selbst wiederfinden, sympathischer als andere empfinden. Das können Eigenschaften, eine geteilte Vergangenheit, Äußerlichkeiten oder eben eine geteilte In-Group sein. Bezogen auf den Bewerbungsprozess kann das dazu führen, dass du die Person deutlich sympathischer und dadurch sogar kompetenter einschätzt. Vielleicht ist dir das schon einmal passiert: Du triffst eine Person und ihr stellt fest, dass ihr aus dem selben Dorf bei Aachen kommt. Plötzlich habt ihr eine ganz andere emotionale Nähe zueinander und vielleicht auch mehr Sympathie füreinander. Im Bewerbungsprozess sagt diese Tatsache ja nichts über die Talente und Skills der sich bewerbenden Person in Bezug auf den Job aus. Sie kann dich aber beeinflussen, die Talente der Person unbewusst positiver wahrzunehmen.
Wo ist dir der Mini Me Bias bereits begegnet?
Leseempfehlungen und Quellen:
- Choudhoury, Shakil (2017): Deep Diversity. Münster
- M. Billig, H. Tajfel: Social Categorization and similarity in intergroup behavior. In: European Journal of Social Psychology. 3, 1973, S. 27–52, https://onlinelibrary.wiley.com/doi/pdf/10.1002/ejsp.2420030103
- Piorkovski, Christoph David: Critical Whiteness. https://www.tagesspiegel.de/wissen/critical-whiteness-die-unsichtbare-weisse-norm/13600832.html
- Weichselbaumer, Doris (2016): Discrimination Against Female Migrants Wearing Headscarfs. https://www.iza.org/publications/dp/10217/discrimination-against-female-migrants-wearing-headscarves