Stell dir vor, du führst ein Bewerbungsgespräch. Zwei Kandidat*innen. Identische Qualifikationen. Eine Person hat an einer renommierten Universität studiert, die andere an einer weniger bekannten Hochschule. Ohne es bewusst zu merken, neigst du dazu, der ersten Person mehr Kompetenz zuzusprechen obwohl das allein nichts über deren tatsächliche Leistung aussagt. Das ist der Halo-Effekt in Aktion – einem von vielen unbewussten Unconscious Bias Beispielen, die unsere Entscheidungen verzerren.
Ob Recruiting, Teamführung oder Leistungsbewertungen: Unconscious Bias beeinflussen unseren Arbeitsalltag ständig. Wir alle haben sie, weil unser Gehirn mit vorgefertigten Denkschablonen arbeitet. Sie helfen uns, die Welt schnell zu erfassen, führen aber auch dazu, dass wir Menschen unfair bewerten oder übersehen. Wenn wir diese Verzerrungen nicht erkennen, erschweren sie den Aufbau vielfältiger und inklusiver Teams.
Warum ist ist wichtig diese Unconscious Bias Beispiele zu kennen?
Kognitive Biases im Gehirn sind vorauseilende Urteile und Wahrnehmungsverzerrungen über Einzelpersonen oder Gruppen. Jede*r hat sie: Zum einen, weil sie uns als kognitive Strukturen helfen, Reizüberflutung zu verhindern und die Welt zu ordnen. Zum anderen, weil wir durch unsere Sozialisierung viele stereotype Bilder erlernt haben. Sie sorgen dafür, dass wir Menschen unabsichtlich diskriminieren können – auch wenn du eine offene Person mit guten Absichten bist.
Wenn beispielsweise der In-Group Bias dazu führt, dass Führungskräfte unbewusst immer Menschen befördern, die ihnen ähnlich sind, bleibt Talentpotenzial ungenutzt. Der Confirmation Bias kann dazu führen, dass eine Führungskraft eine Person für „nicht kompetent genug“ hält – und dann gezielt nach Bestätigungen für diese Einschätzung sucht, anstatt objektiv zu bewerten. So entstehen homogene Teams, in denen Kreativität und Innovation leiden, weil immer ähnliche Perspektiven dominieren.
Auch beim Recruiting kann ein unbewusster Bias teuer werden: Ein Unternehmen, das sich von prestigeträchtigen Arbeitgebermarken oder bestimmten Hochschulen blenden lässt (Halo-Effekt), riskiert, großartige Talente zu übersehen oder durch Fehlentscheidungen hohe Fluktuationskosten zu verursachen. Um langfristig erfolgreich zu sein, müssen Menschen in Unternehmen lernen, ihre unbewussten Verzerrungen zu erkennen und gegenzusteuern. Daher schauen wir uns fünf häufige Unconscious Bias Beispiele aus dem Joballtag an – und was du tun kannst, um fairere und objektivere Entscheidungen zu treffen.
Um objektivere und fairere Entscheidungen zu treffen, sind diese fünf Unconscious Bias Beispiele für dich wichtig:
Halo-Effekt
Der Halo-Effekt („Heiligenschein“-Effekt) führt dazu, dass eine Tatsache oder Eigenschaft alles andere überstrahlt. Nimmst du eine Person als normschön wahr, kann es sein, dass du diesen Menschen auch kompetenter wahrnimmst, als beispielsweise eine mehrgewichtige Person. Die normschöne Person muss sich also weniger bemühen, kompetent zu wirken.
Ähnliches gilt beim Bewerten von CVs: Hat der*die Kandidat*in bei einer dir bekannten und positiv assoziierten Marke gearbeitet (beispielsweise Google), dann wirst du die Kompetenzen der Person insgesamt positiver bewerten. Obwohl allein die Tatsache, dass eine Person bei Google gearbeitet hat, ja zunächst nichts weiter aussagt. Google „verleiht“ der sich bewerbenden Person den Heiligenschein, obwohl sie z.B. noch gar nicht entsprechende Skills unter Beweis gestellt hat.
To do: Strukturiere Auswahlprozesse klar und standardisiert, um objektivere Entscheidungen zu fällen. Im Recruiting sind strukturierte Interviews essenziell, um den Einfluss des Halo-Effekts zu minimieren. Lies hier mehr über Inclusive Hiring. Wir unterstützen euch gerne dabei.
Horns Effekt
Die andere Seite des Halo-Effekts ist der Horns-Effekt. Er besagt, dass eine als negativ markierte Eigenschaft oder Zuordnung einer Person alle weiteren überstrahlt: Zum Beispiel dann, wenn ein CV einer Person eine*n für dich negativ assoziierten Arbeitgeber*in enthält.
Oder wenn du aufgrund eines negativen stereotypen Gedankens wie „Ältere Menschen haben keine Digitalkompetenz“ gar nicht erst mit älteren Personen in deinem Team arbeitest. Diese Wahrnehmungsverzerrungen können dazu führen, dass du bestimmte Informationen, Kompetenzen und Talente schlichtweg übersiehst – ähnlich dem Confirmation Bias.
To do: Hinterfrage deine eigenen Bewertungen. Woran machst du deine Einschätzungen fest? Reflektiere, ob du eine Person voreilig aufgrund dieses Vorurteils abwertest.
Confirmation Bias
Mit dem Confirmation Bias bestätigen wir unbewusst unsere zuvor getroffenen Annahmen. Zum Beispiel wenn ein neuer Praktikant vergessen hat, eine wichtige Aufgabe zu erledigen. Und du unbewusst immer wieder selbst nach Belegen dafür suchst, dass er einfach nicht so eine gute Besetzung ist.
To do: Suche gezielt nach Gegenbeispielen. Sprich mit Kolleg*innen, die eine andere Perspektive haben, um dein Urteil zu überprüfen.
Groupthink Bias
Menschen sind soziale Wesen. Für uns ist es überlebenswichtig, Gruppen anzugehören. Um der lieben Harmonie willen kann sich daher oft ein unbewusstes Gruppendenken einschleichen. Zum Beispiel neigen wir dazu, wenn Chef*innen in Meetings zunächst ihre Ideen vorgeben, diese ausschließlich eher unbewusst versuchen zu bestätigen.
To do: Führungskräfte sollten bewusst erst später ihre Meinung äußern, um anderen Raum für eigene Gedanken zu geben. Alternativ kann eine Person im Team gezielt die Rolle des kritischen Gegenparts übernehmen.
In-Group oder Affinity Bias
Der In-Group Bias ist eine Voreingenommenheit zugunsten der eigenen Gruppe. Für diese Gruppe empfinden wir laut neurowissenschaftlicher Studien unbewusst sogar mehr Empathie. Eine In-Group kann eine kleine Gruppe, wie z.B. eine Tanzgruppe sein, aber auch eine gesellschaftliche Gruppenzugehörigkeit, wie z.B. weiß-deutsch, eine cis Frau oder nicht-behindert zu sein. Menschen, die der Out-Group zugeschrieben werden, erfahren hierdurch Nachteile. Der In-Group Bias wird durch durch historische Kontinuitäten und Hierarchien gespeist, z.B. der weißen Vorherrschaft.
To do: Reflektiere, wo du zur gesellschaftlichen In-Group gehörst und welche Vorteile dir das bringt. Gehe aktiv auf Menschen zu, die anders sind als du, und erweitere bewusst dein berufliches und soziales Netzwerk.
„Wir“ versus „die Anderen“
Diese Kategorisierungen und Hierarchien bilden die Grundlage für unsere sozialen Identitäten. Damit einher geht auch eine Einteilung in ein “Wir” und “die Anderen”. Und je nachdem welche Gruppe die gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Macht hat, hat das fatale Auswirkungen für „die Anderen“.
Soziale Identität und Gruppen
Der Sozialpsychologe Henri Tajfel hat die sehr schnell stattfindende Kategorisierung in ein „Wir“ und „die Anderen“ einst in einem Experiment namens Minimalgruppen-Prozedere nachgewiesen. Bei diesem Versuch werden sich unbekannte Menschen auf Basis minimaler Informationen in Gruppen aufgeteilt: zum Beispiel anhand der Vorliebe für ein bestimmtes Gemälde oder aufgrund eines Münzwurfs. Bereits innerhalb weniger Minuten neigten die Probant*innen dazu, ihre eigene Gruppe als der anderen Gruppe überlegen anzusehen und sich Vorteile zu verschaffen. Seine Theorien aus den 1970/80er Jahren sind inzwischen in zahlreichen weiteren Studien bestätigt.
Für die Teamdynamik in Unternehmen hat das natürlich auch Folgen. Denn auch im Job umgibst du dich vermutlich unbewusst am ehesten mit Menschen, die wie du selbst sind. Das zeigen die oben beschriebenen Unconscious Bias Beispiele deutlich. Und wenn dein Unternehmen bereits sehr homogen und mehrheitsgesellschaftlich besetzt ist, wird es für marginalisierte Gruppen deutlich schwieriger, sich inkludiert zu fühlen.
Ganz deutlich kannst du den In-Group Bias in mehrsprachigen Teams mit unterschiedlichen Erstsprachen nachempfinden. In den Pausen treffen sich dann oft Personen bevorzugt mit Kolleg*innen, die die gleiche Erstsprache teilen: also z.B. deutschsprachige Personen, die sich dann lieber mit anderen deutschsprachigen Personen treffen.
Nachdem du nun einige Unconscious Bias Beispiele kennst – dies sind deine To dos:
- Reflektiere deine Identität: Wo gehörst du möglicherweise zu den großen gesellschaftlichen Ingroups – und wo nicht? Helfen können sogenannte Privilegien-Checks. Die Tests basieren zu großen Teilen auf der Forschung der US-amerikanischen Wissenschaftlerin und Feministin Peggy Mcintosh. In unseren Trainings gehen wir auf das Thema Privilegien behutsam ein.
- Suche andere Kontakte: Gehe gezielt auf Menschen zu, die du als anders empfindest – außerhalb deines Teams, deiner Abteilung, deines Unternehmens und unabhängig von deiner Erstsprache. Persönlicher Kontakt sorgt für einen individualisiertere Wahrnehmung der Gruppen die du als anders empfindest. Das kann auch bedeuten, dass du deinen Social Media Feed diversifizierst und Accounts abonnierst, die dir eine neue Perspektive eröffnen.
- Objektiviere deine Strukturen: Unternehmen sollten bias-freie HR-Prozesse etablieren, beispielsweise durch standardisierte Beurteilungskriterien. Wir unterstützen dich dabei deine Prozesse fairer zu machen. Frag uns gerne an.
- Respektiere Safer Spaces: Netzwerke für marginalisierte Gruppen sind essenziell für deren Empowerment. Bevor du an Veranstaltungen teilnimmst, prüfe, ob sie offen für alle sind. Gibt es z.B. in deinem Unternehmen ein Mitarbeiter*innen-Netzwerk für Schwarze Menschen, solltest du als weiß positionierte Person oder nicht-Schwarze Person of Color vorher fragen, ob die Veranstaltung für dich geöffnet ist. Ähnliches Beispiel: Veranstaltungen von LGBTQI+ Netzwerken. Sie sind zunächst mal nur für diese Personen aus der LGBTQI+ Community geöffnet. Es sei denn die Veranstaltung wird als “offen für Heteros/ Straight Allies” angekündigt.
Unconscious Bias Beispiele zu kennen hilft dir sicherlich weiter.
Aber ganz allgemein gesprochen bedeutet D&I-Arbeit, deine Entscheidungen und Gedanken genauer zu hinterfragen. Sorge im Unternehmen für bias-freiere Strukturen, z.B. in HR-Prozessen oder Performance Beurteilungen. Kein Mensch ist frei von vorauseilenden Vorannahmen. Nur wenn wir gleichzeitig auch an den Prozessen arbeiten, werden wir wirklich ein vorurteilsfreieres Umfeld schaffen. Ein Unconscious Bias Training alleine reicht nicht, ist aber ein guter erster Schritt. Gerne unterstützen wir dich dabei, zu prüfen, wo deine Prozesse von Vorurteilen beeinflusst sein könnten.